Die alte und neue Geschichte der Fontaneschule

Aus Anlass der nun vollendeten umfangreichen Sanierung der Fontane-Grundschule möchten wir an dieser Stelle ein wenig auf die Geschichte der Schule eingehen, vor allem aber auch einen Blick auf die Baumaßnahmen werfen, die das Gebäude nun wieder fast wie einen Neubau erstrahlen lassen. Viele Ludwigsfelder, sicher auch die Schüler, werden sich schon gefragt haben, was denn daran so lange gedauert hat. Aber fangen wir mit der Geschichte an.

Ludwigsfelde war Anfang der 50-er Jahre mit knapp 6.000 Menschen bevölkert. Sie wohnten in der Gartenstadt, in der kleinen und großen Werkssiedlung, im Holzhausviertel, im Tierviertel und im Flussviertel. Und da dieser Platz sicher nicht gereicht hat, tlw. auch noch in Baracken. Die beiden Schulen reichten für die Kinder nicht mehr aus, weshalb 1952 auch noch in 3 Baracken am Waldsportplatz gelehrt wurde (Waldschule). Und nun wurden Anfang 1952 auch noch der VEB Industriewerke Ludwigsfelde gegründet. Es war mit etwa 3.000 neuen Arbeitskräften zu rechnen und nicht alle von ihnen sind Pendler. Es mussten unbedingt neue Wohnungen in der Gemeinde gebaut werden.
Als Bauplatz wurde ein fast baufertiges Gelände gewählt – das Lager „Bahnhof“. Das ist das Gelände mit den Baracken, die bis Kriegsende als Zwangsarbeiterlager, Kriegsgefangenenlager und SS-Straflager dienten. Hier mussten lediglich die Baracken abgerissen werden, Rodungen waren kaum notwendig. Das Gelände erstreckte sich etwa von der späteren Fontanestraße an der Potsdamer Straße entlang bis etwa 100 m vor der Maxim-Gorki-Straße, in der Tiefe bis etwa Fontanestraße Ecke Maxim-Gorki-Straße und im hinteren Teil bis an die Autobahn heran.
Es wurde ein architektonisch repräsentatives Projekt für die neue Siedlung erarbeitet, das einer größeren Stadt würdig gewesen wäre, obwohl Ludwigsfelde doch eigentlich nur eine Gemeinde war. Doch kostenbedingt wurde nicht alles so umgesetzt, wie geplant. Vorgesehen war eigentlich ein großer Kulturpalast – das kleinere Klubhaus ohne zweiten Seitenflügel blieb übrig. Anstelle des später errichteten Kaufhauses sollte eigentlich ein Rathaus mit angeschlossener Post stehen, auch ein Hotel, dort wo heute das Reichelt-Haus steht, entfiel. Trotzdem entstand ein bemerkenswertes Gebäudeensemble, damals die erste „sozialistische Wohnstadt“ des Bezirkes Potsdam, parallel geplant und gebaut mit der „ersten sozialistischen Stadt“ Stalinstadt (ab 1961 Eisenhüttenstadt).

Fontaneschule-alt

Die neue Schule kurz nach der Fertigstellung.

Bestandteil der neuen Siedlung soll neben den Wohnhäusern, Verkaufsstellen und dem Kulturhaus, und hier kommen wir wieder zum eigentlichen Thema zurück, außerdem eine Schule sein. Auch sie wurde am Ende ein wenig kleiner, als ursprünglich geplant. Die Planung des Architekten BDA Dipl.-Ing. Rolf Meissner vom VEB Hochbauprojektierung Potsdam sah eine 16-klassige Mittelschule vor. Mit dem Bau wurde im Jahre 1953 begonnen. Die Arbeiten schritten zügig voran und so konnte das Gebäude zum Schuljahresbeginn am 01.09.1955 als Grundschule eingeweiht werden. Die ersten Schüler waren jene Kinder, die vorher in der provisorischen Waldschule unterrichtet wurden. Dabei handelte es sich um 3 Baracken auf dem Gelände des Waldstadions. Für die Kinder war es sicher eine beeindruckende Erfahrung, nun die Schule in diesem großen, neuen und modernen Gebäude besuchen zu können.

Fenster zum Hof

Fensterfront zum Hof, die Bleiverglasungen sind zum größten Teil längst verloren gegangen.

Das Gebäude passte sich vom Baustil der angrenzenden sozialistischen Wohnstadt an, insoweit ist es also eher unauffällig. Allerdings existieren einige künstlerisch gestaltete Details am Haus. Das erscheint für einen Zweckbau der damaligen Zeit ungewöhnlich, der Hintergrund ist ein Beschluss der DDR aus dem Jahre 1952, der besagt, dass ein bis zwei Prozent der Bausumme von Verwaltungs-, Kultur- und Sozialbauten für die künstlerische Ausgestaltung zu verwenden waren – so genannte Kunst am Bau. Damit kam die Schule zu ihren beiden wunderschönen Bleiglasfenstern von der Künstlerin Ilse Fischer (1900-1979) auf der Hofseite des Gebäudes. Ilse Fischer schuf übrigens auch die beiden Sgraffiti am Haus in der Potsdamer Straße Ecke Maxim-Gorki-Straße. Die drei Trinkbrunnen, gelegen auf den drei Etagen in den Fluren, gestaltete Eva Schulz-Endert. Sie waren leider nur kurz in Betrieb, aber sind unzerstört im Gegensatz zu den Fenstern.

Otto Grotewohl

Otto Grotewohl zu Besuch in der Schule.

In den ersten Jahren bis hin zum Anfang der 70-er Jahre wurde die Freude allerdings manchmal getrübt. Ab und an gab es in den Wintermonaten eine mangelhafte Versorgung mit Kohlen – die Schule blieb kalt und die Schüler mussten zeitweise in andere Schulen ausweichen.
Schon wenige Jahre nach ihrer Eröffnung erhielt die Schule den Status einer Mittelschule. Im Jahre 1959 wurde das Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik veröffentlicht. Hierin ist festgelegt, dass in Zukunft die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule – auch Oberschule genannt – die allgemeinbildende Schule für alle Kinder in der DDR sein soll. Dies sollte spätestens bis zum Beginn des Schuljahres 1965/66 für alle Schulen umgesetzt werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde aus der vorherigen Mittelschule eine Oberschule.
Eher zufällig konnten die Schüler und Lehrer der Schule im Jahre 1960 hohen Besuch empfangen. Eigentlich wurde Frau Johanna Grotewohl erwartet, die einige Termine in Ludwigsfelde wahrnahm. Doch ihr Mann Otto, damals Ministerpräsident der DDR, nahm sich die Zeit, sie zu begleiten. Und so besuchten die beiden am 25. März auch die neuerbaute Schule in der Straße der Jungen Pioniere (heute Fontanestraße).

Die Schulbezeichnung sollte sich noch ein weiteres Mal ändern, denn im Laufe der Jahre bürgte sich Polytechnische Oberschule (POS) für Schulen dieser Art im ganzen Land ein und da diese hier nach der Säulenschule die zweite hier in der Stadt war (die Zwiebelschule war inzwischen zu einer Erweiterten Oberschule (EOS) geworden), nannte man sie nun POS II. Sie erhielt den Namen „Hans-Beimler-Oberschule“.
In gewisser Weise bekannt wurde die Schule durch die 1979 dort durchgeführten Dreharbeiten für die Verfilmung des Romans „Eine Anzeige in der Zeitung“ von Günter Görlich. Mehr als einen Monat dauerten die Arbeiten. Die Schüler und Lehrer spielten dabei die Statistenrollen. Gedreht wurde meist nach dem eigentlichen Unterricht. Der Film wurde am 7. September 1980 im DDR-Fernsehen erstausgestrahlt.
Einige ehemalige Schüler dieser Schule schafften es später auch zu allgemeiner Bekanntheit. Zu nennen wären hier zum Beispiel der Boxer Henry Maske und der Schauspieler Horst Günter Marx (In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte). Doch auch alle anderen Schüler wurden dort nach bestem Wissen und Gewissen auf eine erfolgreiche Zukunft vorbereitet, auch wenn sie später nicht in ganz Deutschland bekannt waren.

Theodor Fontane Büste

Die Büste von Theodor Fontane vor der Schule.

Im Jahre 1991 änderte sich erneut der Name der Schule. Ab nun wurde sie 2. Grundschule genannt. Dies war auch das Jahr, in dem endlich die Heizung von Kohle auf Gas umgestellt worden war. Am 12.05.1992 konnte eine Schulbibliothek eröffnet werden. Die Idee dazu entstammte einem Vorlesewettbewerb.
Im Jahre 1998 wurde der größte Teil der Heinrich-Heine-Siedlung, darunter auch die 2. Grundschule, unter Denkmalschutz gestellt.
In den Jahren 2000-2003 kam es zu größeren Baumaßnahmen auf dem Schulhof. Dieser wurde umgestaltet und eine moderne Sportanlage hinzugefügt.
Zum 50. Geburtstag der Schule im Jahre 2005 stand ein neuer Namenswechsel an. Sie bekam feierlich den Namen Theodor – Fontane – Schule verliehen. Seither steht auch die Büste von Theodor Fontane, die auch schon vor dem Kino und am Platz vor dem Rathaus stand, am Haupteingang der Schule.

Das Gebäude war, wie man sagt, in die Jahre gekommen. Von 1992 bis 2002 wurden mehr als 800.000 € an Investitionen in Erhaltung, Reparaturen und Modernisierungen gesteckt. Dennoch konnte das nicht verhindern, dass das Haus irgendwann einmal von Grund auf saniert werden musste. Teile des Hofes mussten schon wegen herabfallender Dachziegel gesperrt werden, die Ausstattung war oft mangelhaft. Die Brandschutzrichtlinien verlangten nach einigen Nachbesserungen und es musste eine Barrierefreiheit hergestellt werden.
Im Jahr 2015 begann man mit Befunderhebungen über den derzeitigen Gebäudezustand und der Planung. Im folgenden Frühjahr wurden die anstehenden Arbeiten ausgeschrieben. Die Ausschreibung wurde in 13 Einzellose aufgeteilt, d.h. 13 Gewerke/Firmen haben sich die Arbeiten geteilt. Die Gesamtsumme, die jetzt investiert wurde, beläuft sich auf beträchtliche 5,9 Mio. Euro.
Allerdings musste zuvor noch ein Problem gelöst werden: Wohin mit den gut 300 Schülern in ihren 15 Klassen? Ideen von Containern auf dem Hof oder gar Unterricht und Baustelle gleichzeitig im Gebäude wurden schnell wieder verworfen. Die Lösung fand sich schließlich mit dem Umzug der „Bewohner“ in das Gebäude der Daimler-Oberschule in der Karl-Liebknecht-Straße.
Zum Schuljahresende 2015/16 begann dann die Komplexsanierung unmittelbar nach der Auslagerung des Schulinventars.

Bleiglasfenster

Wiederhergestelltes Bleiglasfenster im 1. Stock. Dieses Fenster war komplett zerstört.

Grundsätzliches Ziel bei der Sanierung war die Erhaltung der vorhandenen historischen Bausubstanz. Dem hatten sich alle anderen Arbeiten unterzuordnen, auch der Brandschutz. Es konnten dafür nicht die Maximalanforderungen umgesetzt werden, stattdessen wurden dem Denkmal angepasste Maßnahmen durchgeführt. Dazu gehören die Abgrenzung beider Nebentreppen von den Fluren durch Verglasungsebenen mit Türen, die Verbreiterung einer Tür in der Turnhalle oder der Austausch einiger Türen.
Um die Raumakustik innerhalb der Räume und Flure zu verbessern, wurden deren Decken mit Lochplatten bzw. Akustikputz versehen. Auch die Turnhallendecke wurde mit Akustikelementen versehen. In den Fluren kam es in früheren Jahren zu Umbauten an den Fenstern. Hier wurden die historischen Steinfensterbänke wiederhergestellt. Die frühere Hausmeisterwohnung wurde in Gruppenräume für den Vorschulbereich umgebaut.
Bemerkenswert ist die gelungene Wiederherstellung der beiden Bleiglasfenster über dem Hofausgang. Eines war total zerstört, das andere war beschädigt. Mit Hilfe der jahrelang im Keller gelagerten Scherben und von in Eichwalde, dem Wohn- und Sterbeort der Künstlerin, aufgetauchten Schwarzweißfotografien der Entwürfe der Fenster konnten beide nun vollständig rekonstruiert werden. An dieser Stelle geht auch der Dank an den Eichwalder Heimatforscher Wolfgang Müller, dessen Recherchen der Fund der Fotografien zu verdanken ist. Die Fenster werden nun durch ein dünnes und kaum sichtbares Metallnetz von außen gegen Beschädigung geschützt. Die drei historischen Trinkbrunnen waren noch gut erhalten und mussten nur während der Bauarbeiten gegen Beschädigungen geschützt werden. Sie waren schon lange nicht mehr als Wasserspender funktionstüchtig, dies soll allerdings auch so bleiben.
Im Übrigen wurde die vorhandene Substanz, wie Böden, Türen, Treppen, Geländer oder historische Wandfliesen, falls nötig zwar aufgearbeitet, jedoch größtenteils beibehalten.

Fassade

Schaden an der Fassade.

Außen war das Gebäude in keinem besonders gutem Zustand. Es stellte sich heraus, dass der Bossenputz in Höhe des Erdgeschosses nahezu komplett um das ganze Gebäude herum lose war und entfernt werden musste. Dies brachte ein neues Problem mit sich: Diesen Putz wieder handwerklich so, wie vor 60 Jahren aufzutragen, beherrschen nicht mehr viele Fachleute. Es musste ein wenig experimentiert werden, doch man schaffte es schließlich und dies auch in der historischen Farbgebung.
Der an den Etagen darüber befindliche Bestandsputz wurde ausgebessert und teilweise ergänzt nach den Vorgaben des restauratorischen Gutachtens.
Auch am Dach wurde gearbeitet. Es wurde neu gedämmt und eingedeckt.
An der gesamten Südseite sowie an den beiden Giebelseiten in Ost- und Westrichtung wurden als Sonnenschutz außenliegende textile Verschattungen installiert. Die maroden Lichtschächte am Sockel der Fassade wurden durch neue ersetzt. Die wohl deutlichste Veränderung geschah mit dem Anbau eines gläsernen Aufzuges an der Nordseite neben dem Hofausgang. Damit wurde ein sehr wichtiger Beitrag zur Barrierefreiheit geleistet, genau wie der behindertengerechte Umbau der Sanitäreinrichtungen.

Tag des offenen Denkmals

Reges Interesse der Bevölkerung am Tag des offenen Denkmals

Im Sommer 2017 zeichnete sich dann leider ab, dass die Sanierungsarbeiten nicht, wie geplant, mit dem Schuljahresbeginn 2017/2018 abgeschlossen werden können. Grund dafür waren nicht vorhersehbare Arbeiten bzw. Arbeiten in nicht vorhersehbarem Ausmaß und nicht zuletzt ständig notwendige Abstimmungen mit dem Denkmalschutz.
Am 10.September 2017 wurde die Schule im Rahmen des Tags des offenen Denkmals für die Bürgerinnen und Bürger geöffnet. Das Interesse war enorm. Ursprünglich sollte zu diesem Zeitpunkt bereits wieder der Schulbetrieb in Gange sein, doch auf Grund der bereits erwähnten Verzögerungen wurden die Besucher an diesem Tage auf einer ausgedehnten Baustelle empfangen. Doch schon von außen sah das Haus wieder aus wie neu und diejenigen Besucher, die das Gebäude innen vor der Sanierung kannten, werden auch dort trotz der noch andauernden Baumaßnahmen viele markante Änderungen bemerkt haben.

Am 06. November 2017 konnte der Schulbetrieb in der Theodor-Fontane-Schule wiederaufgenommen werden.
All die durchgeführten Arbeiten dienen dazu, dass uns das Gebäude als Denkmal noch lange erhalten bleibt und dort auch weiterhin eine gute pädagogische Tätigkeit geleistet werden kann. Nicht zuletzt sollen aber auch die Schüler und Schülerinnen jeden Tag gern die Theodor – Fontane – Schule besuchen.

Quellen:

  • Architektur und Städtebau in der DDR, 1969
  • Märkische Allgemeine Zeitung vom 26.07.2016, 09.08.2017, 06.09.2016, 12.02.2015
  • Was Häuser erzählen können Bd. 4 – 50 Jahre Schule an der Autobahn, Ludwigsfelder Geschichtsverein e.V. 2005
  • Restauratorische Befunderhebung, Dipl.Rest. (FH) Udo Drott, freundlichst bereitgestellt von der Stadtverwaltung Ludwigsfelde
  • Protokoll zum Denkmalschutz v. 21.07.2015, freundlichst bereitgestellt von der Stadtverwaltung Ludwigsfelde
  • Ludwigsfelder Geschichte 1945 – 1965
  • Fotos: Stadtverwaltung Ludwigsfelde, Stadtarchiv Ludwigsfelde, Ludwigsfelder Geschichtsverein

Galerie mit Fotos vom Baufortschritt

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