65 Jahre Evangelische Kirche Sankt Michael in Ludwigsfelde

Zugegeben, die Siethener Feldsteinkirche wurde bereits im 13. Jahrhundert errichtet und auch die Kirche St. Anna in Löwenbruch ist mehr als 300 Jahre alt, aber 65 Jahre ist auch ein Grund zum Erinnern, denn 1955 waren Kirchenneubauten in der DDR eine Ausnahme.

Vor 1928 waren die Bewohner nördlich der Potsdamer Straße als Damsdorfer gleichzeitig auch Angehörige der Kirchengemeinde Genshagen – die Kinder besuchten auch die dortige Schule. Südlich der Potsdamer Straße lag Ludwigsfelde, das 1928 mit Damsdorf vereinigt wurde. Kirchlich gesehen, gehörte Ludwigsfelde immer zu Löwenbruch und wurde erst ab 01.01.1948 selbstständige Kirchengemeinde. Allerdings war man weiterhin pfarramtlich mit Löwenbruch verbunden. Der Titel des Pfarrers lautete: Pfarrer von Löwenbruch mit Sitz in Ludwigsfelde. Die Trennung wurde endgültig erst 1972 vollzogen. Das ist nun noch nicht einmal 50 Jahre her.

Bei der Planung der Siedlungserweiterung im Ortskern von Ludwigsfelde war 1931 zunächst ein Kirchbau in der heutigen Arthur-Ladwig-Straße vorgesehen. Die Entscheidung, dort nicht zu bauen, könnte politische Hintergründe gehabt haben. Die Gemeindevertreter um Robert Menzel, den ersten Bürgermeister des Ortes, haben sich ab 1928 alle Mühe gegeben, aus den verschlafenen Kolonien ein „richtiges“ Dorf zu machen.  Dazu gehörte eine Schule und eine Kirche.

Vorschlag zur neuen Straßen- Eisenbahnkreuzung von 1931
Der Kirchenstandort in einem Plan von 1931

Für den Bau einer Schule gibt es mehrere Anträge an die Regierung in Potsdam (die immer wieder mangels ausreichender Schüleranzahl abgelehnt wurden). Für die Planung einer Kirche haben wir dieses Dokument gefunden. Die neuen Machthaber nach 1933 hatten andere Pläne und so wurde dieser Plan nie realisiert.

Im Jahre 1939 wurde die Friedhofskapelle fertiggestellt. Aus heutiger Sicht ein multifunktionales Gebäude. Sie wurde einerseits als Leichenhalle genutzt sowohl die katholische als auch die evangelische Kirchengemeinde konnte dort Gottesdienste abhalten.

Schon 1948 plante die kommunale Gemeinde auf Antrag der Kirchengemeinde auch einen Kirchbau und sah dafür zunächst den Platz des heutigen Aktiv-Parks vor. Dieser Ort wurde im Januar 1949 von den Gemeindevertretern auch genehmigt, wohlgemerkt „zur Errichtung einer Notkirche“. Jedoch insistierte die Autobahnbehörde darauf, diesen Platz frei zu halten, denn es war eine Autobahnauffahrt dort geplant. Man wich auf eine Fläche an der heutigen Rathausstraße/Ecke Potsdamer Straße aus.

Geplanter Kirchenstandort 1949
Der geplante Kirchenstandort in einem Orts- und Bebauungsplan von Ludwigsfelde aus dem Jahre 1949 (Quelle: Stadtarchiv Ludwigsfelde)

Als Anfang der 50-er Jahre die Planungen für das heutige Dichterviertel im großen Rahmen (mit Kulturpalast, Rathaus mit Turm, Hotel etc.) begannen, war für eine Kirche kein Platz. Sie hätte einfach nicht in diese sozialistische Wohnstadt als Musterstück des DDR-Wohnungsbaus gepasst und das nicht auch architektonischer, sondern aus politischer Sicht. Die Kommune bot der Kirchengemeinde als Tausch das heutige Gelände Margeritenweg 1a an. Ein Kauf/ Verkauf durfte zwischen Kommune und Kirche nicht stattfinden. Deshalb erwarb die Kirchengemeinde zunächst von Privatleuten Grundstücke und im Mai 1953 erfolgte dann der offizielle Tausch von 3 Grundstücken gegen das Heutige im Margeritenweg.

Die Bemühungen um eine eigene Kirche in Ludwigsfelde gab es in intensiver Form seit Ende des Krieges. Es wurden div. Möglichkeiten in Betracht gezogen, aber Voraussetzung war natürlich das eigene Grundstück. Im Herbst 1949 legte Kirchenbaurat Wendland den ersten Entwurf eines Kirchbaus vor. Änderungen wurden vorgenommen, aber im Wesentlichen ist die Grundform des ersten Vorschlages dann doch im endgültigen Entwurf wieder zu finden.

Die Kirche in der Bauzeit
Die Kirche im Bau (etwa 1954), damals noch mit Schornsteinen für die Ofenheizung

Mit dem durchgeführten Vertragsabschluss zum Tausch des Grundstückes konnte der Termin für die Grundsteinlegung festgelegt werden, der dann am 23. August 1953 erfolgte. Der Bau litt unter div. Behinderungen, teils fehlte das Baumaterial, teils fehlte das Geld. Und nicht zuletzt musste das Konsistorium vom neuen Namen für die Kirche „Sankt Michael“ erst noch überzeugt werden. So wurde die Einweihung mehrmals verschoben, aber am 8. Mai 1955 war es dann soweit, die Kirche konnte feierlich eingeweiht werden. Am Samstag vor der Einweihung nahm die Gemeinde in der Friedhofskapelle Abschied von der bisherigen Andachtsstätte, der Friedhofskapelle, die bis zum Einweihungstage noch immer beiden Konfessionen für die Gottesdienste zur Verfügung stand. Nach der Einweihung der Kirche gab es eine kirchliche Woche, die mit der ersten Konfirmation in der neuen Kirche endete.

Außenansicht der fertigen Kirche
Die fertiggestellte Kirche (Ansichtskarte etwa Ende der 50er Jahre)

Der Kirchenbau war das große Verdienst des damaligen Pfarrers Lea, der zunächst von 1940 bis 1943 und dann von 1947 bis 1971 seinen Dienst in Ludwigsfelde tat. Sein Grab auf dem Friedhof ist seit 2007 eine Ehrengrabstätte. Er hat die Planungen für die Kirche koordiniert und mit dem damaligen Gemeindekirchenrat beharrlich auf diesen Einweihungstag hingearbeitet.

Der schlichte Bau verfügt über einen als Dachreiter aufgesetzten Glockenstuhl und ist im Baustil dem Stall von Bethlehem nachempfunden. Zentraler Punkt in der Kirche in Ludwigsfelde ist der Altar mit einem dreiflügeligen Altarbild, das der Maler Gerhard Olbrich zur Einweihung im Auftrag des Gemeindekirchenrates geschaffen hat. Das Bild stellt in der Mitte die Kreuzigung dar, im linken Feld die Versuchung und rechts den Kampf Michaels mit dem Drachen. Weiteren Schmuck gab es in der Kirche zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, aber immerhin eine Warmluftheizung, was ein großer Vorteil gegenüber den älteren Dorfkirchen war. Eine Orgel bekam die Kirche übrigens erst 1974. Die Planungen dafür dauerten 11 Jahre.

Innenansicht der Kirche
Eine Innenansicht der Kirche 1955 mit der damaligen Liedertafel und dem damaligen Taufstein

Schon seit Beginn der 50-er Jahre verband die Evangelische Kirchengemeinde Ludwigsfelde eine enge Partnerschaft mit der Gemeinde in Grenzach (Badische Kirche). Verschiedene Ausstattungsstücke wie die Abendmahlgeräte, die Altarbibel, die Sammelbüchsen und nicht zuletzt der Orgelmotor sind Geschenke unserer Partnergemeinde.

Bereits mit der Planung der Kirche wurde ein Pfarr- und auch ein großes Gemeindehaus an gleicher Stelle geplant. Diese Planungen konnten nie realisiert werden. Das Pfarrhaus wurde erst 1970 fertiggestellt und ein großes Gemeindehaus wurde am Standort Margeritenweg erst 2014 übergeben. Somit ist das 1955 geplante Ensemble nun komplett.

Das Kirchengebäude von „Sankt Michael“ steht heute unter Denkmalschutz. Kirche und Gemeindehaus sind das Zentrum für die Kirchengemeinde und werden vielfältig genutzt – durch die Gestaltung des Aktiv-Parks ist die Kirche nun auch von der Potsdamer Straße gut sichtbar und die Kirchengemeinde freut sich über dieses Jubiläum.

Quellen:

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Baudenkmale_in_Ludwigsfelde#Ludwigsfelde
  • Protokoll der Öffentlichen Gemeindevertretersitzung vom 26.01.1949 im „Haus Sanssouci“
  • Protokollbücher der Sitzungen des Gemeindekirchenrates der Evangelischen Kirchengemeinde Ludwigsfelde St.Michael
  • Chronik der Evangelischen Kirchengemeinde St.Michael – Ludwigsfelde 2008
  • Alle nicht andersgenannten Bilder stammen aus dem Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde St.Michael

Verkürzt veröffentlicht im „Ludwigsfelder Boten“ vom 09.05.2020, mit freundlicher Genehmigung des Verfassers, Herrn Hans-Christoph Rieth


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