Das Ludwigsfelder Kino – vor 80 Jahren eröffnet, seit 15 Jahren fort

Im Nachhinein ist es schon erstaunlich, dass Ludwigsfelde noch im Status eines Dorfes ein Kino bekam und gerade als wir Stadt wurden, schloss es wieder seine Pforten – zum Glück nur für eine gewisse Zeit. Und als es dann ganz verschwunden war, obwohl zuletzt schlecht besucht, fehlte den Menschen plötzlich etwas, denn wie ließe sich sonst der Erfolg des Klubkinos erklären. Doch für den Beginn der Geschichte sollten wir zunächst mehr als 80 Jahre in die Vergangenheit blicken.

Zeichnung des Kinos
Architektenzeichnung des Kinos aus dem Jahre 1939

Im Zuge des Baus der Werkssiedlungen ab 1936 durch Daimler-Benz wurde zwar die Versorgung der Bevölkerung gesichert, doch an kulturellem Angebot mangelte es noch sehr. Zwar gab es ab und zu Veranstaltungen in der Turnhalle der Zwiebelschule – später auch ein paar Filmvorführungen – doch wollte man mehr, musste man nach Berlin fahren. So berichtete das Teltower Kreisblatt etwa ein Jahr vor der späteren Eröffnung: Durch das starke Anwachsen der Einwohnerzahl, die jetzt schon 3000 beträgt, wird das Problem eines Lichtspieltheaters immer dringender. Die maßgebenden Körperschaften beschäftigen sich schon mit diesem Problem, so daß zu erwarten ist, daß unsere Gemeinde in absehbarer Zeit ein Kino erhalten wird.

Ludwig Behrends und Wilhelm Timm
Ludwig Behrends und Wilhelm Timm, der damalige Ludwigsfelder Bürgermeister
Kinoprogramm für das kommende Wochenende

1939 erwarb Louis-Ludwig Behrends, der bisher als Filmproduzent sein Geld verdiente, ein Grundstück in Ludwigsfelde mit der Auflage, dort ein Lichtspieltheater zu errichten. Er tat dies und eröffnete am 8.12.1939 ein Kino, das er zusammen mit seinem Bruder Angelo führte. Das Kino hatte damals eine Kapazität von 403 Plätzen, sogar 2 Logen waren vorhanden. Dazu ein Rang, 5 Reihen Sperrsitz, 5 Reihen Parkett, eine Garderobe, Kasse, Toiletten. Gespielt wurde täglich, die Bühne hatte eine Größe von 7 x 2 m. Es trug den Namen „Die Kamera“. Oben gab es noch eine Wohnung für die Familie Behrends. Es wurden nicht nur Filme gezeigt, auch einige Auftritte des Ludwigsfelder Männerchors 1939 e. V. sind überliefert.

Nach dem Krieg ging der Spielbetrieb zwar weiter, aber das Haus wurde auch anderweitig genutzt. Zunächst auch für Vorlesungen für die Neulehrerausbildung oder Chorauftritte und Theateraufführungen. Die Gebrüder Behrends verschlug es nach Südamerika. Angelo schon seit dem Frühjahr 1946 und Ludwig lebte noch bis 1950 in Ludwigsfelde, ehe er auch übersiedelte.

Blick auf das Kino am Ende der 50er Jahre
Blick auf das Kino am Ende der 50er Jahre

Als in den 60er Jahren Breitwandfilme das Kino eroberten, konnten diese mangels Technik nicht mehr aufgeführt werden. Man tat dies nun im Klubhaussaal. Dazu kam, dass sich das Fernsehen mehr und mehr durchsetzte und die Zuschauerzahlen zu wünschen übrig ließen. Das mögen wohl die Hauptgründe sein, dass aus dem Kino vorübergehend ein Möbelladen wurde. Dafür musste natürlich die komplette Bestuhlung weichen und der schräge Fußboden zur Ebene umgebaut werden. In den ehemaligen Wohnräumen über dem Kino (2 Etagen) traf man ab 1960 auf eine Schneiderei, die Schulverwaltung hatte dort für einige Zeit ihren Sitz und zwischen 1964 und 1994 war die Erwachsenenbibliothek dort untergebracht, zwischen 1981 und 1988 gemeinsam mit der Kinderbibliothek.

Das Kino als Möbelhaus
Das Kino als Möbelhaus

Anfang 1974 erwacht das Kino – umgebaut – wieder neu. Zu diesem Anlass vollzog sich auch die Namensänderung. Der neue und letzte Name war „Camera-Lichtspiele“. Das Fassungsvermögen betrug nun nur noch 198 Besucher. Etwa zur gleichen Zeit öffnete gleich neben dem Kino eine bei den Ludwigsfeldern sehr beliebte Eisdiele namens „Eis-Schröder“. Das machte einen Kinobesuch doppelt angenehm. Nur an einer reichhaltigen Filmauswahl mangelte es damals.

Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre gab es unter der Leitung von Frau Monika Vogel, die seit 1974 auch das Filmtheater leitete, einen Filmclub. Die Mitglieder wählten aus einem Katalog von Archivfilmen einen Film für die Aufführung aus und hatten dann alle Arbeiten selbst zu übernehmen. Dazu gehörte Saal anheizen (Ofenheizung im Keller), Kassieren, Einlass und eine kurze Erläuterung zum Film. Lediglich die Vorführung übernahm ein Fachmann.

Kino nach Rekonstruktion Ende der 80er Jahre
Kino nach Rekonstruktion Ende der 80er Jahre
Abriss

Nach der Wende lief der Filmbetrieb zunächst normal weiter. Doch je mehr große Filmpaläste rundherum (Berlin, Potsdam, A10-Center) eröffneten, desto weniger Publikum wollte in unser kleines altes Kino gehen. Das ging so weit, dass manchmal der Saal leer blieb. Ende 2003 wird die markante 60 Jahre alte Blaufichte vor dem Kino gefällt, um als Weihnachtsbaum auf dem Rathausmarkt zu dienen. Ein Jahr später, am 18.01.2005, beginnen dann schließlich die Abrissarbeiten für das Kino. Seit Sommer 2006 steht an dieser Stelle ein neuer Bau, der Hauptsitz der Stadtwerke Ludwigsfelde. Von der einstigen Anwesenheit eines Filmtheaters zeugen heute lediglich die Namen „Theaterstraße“ und „Theaterplatz“.

Quellen:

  • Was Häuser erzählen können Bd. 5 – Lichtspieltheater „Camera“, Ludwigsfelder Geschichtsverein
  • International Movie Database über Ludwig Behrends: https://www.imdb.com/name/nm0067024/?ref_=nv_sr_srsg_0
  • „Teltower Kreisblatt“ vom 13.12.1938 und 05.01.1940
  • Fotos: Stadtarchiv Ludwigsfelde


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