Vom Chausseehaus

Das Chausseehaus um die Jahrhundertwende

Das Chausseehaus um die Jahrhundertwende

Viele unserer Mitbürger werden sich mittlerweile kaum noch erinnern, manche neu hinzugezogenen wussten es vielleicht noch gar nicht, aber bis zum Jahre 1997 stand auch in Ludwigsfelde eines der im Land noch des Öfteren anzutreffenden Chausseehäuser. Die Straßenbauarbeiten im Zuge des Baus der Bahnunterführung sorgten für das Verschwinden dieses recht hübschen Gebäudes.
Das Haus wurde im Jahre 1892 errichtet, also vor inzwischen 125 Jahren, obwohl es dieses Alter ja leider nicht erreichen konnte. Seinen eigentlichen Zweck erfüllte das Gebäude allerdings nur für 15 Jahre. Doch was war eigentlich der Zweck? Hierzu muss man ein wenig zurück in die Geschichte eintauchen.

Noch im 18. Jahrhundert hatte unser Straßennetz eine nur sehr mäßige Qualität. Dies bezieht sich einerseits auf die Anzahl, andererseits auf die Befahrbarkeit der Wege. Der zunehmende Post- und Reiseverkehr machte einen grundlegenden Ausbau notwendig. In Brandenburg begann man nach französischem Vorbild 1789 mit dem Bau einer Chaussee von Berlin nach Potsdam. Vorher hatte man eine Teststrecke im Neuen Garten in Potsdam fertiggestellt.
Bei einer Chaussee (Kunststraße) handelt es sich um eine mit Steinen befestigte Straße mit einer Tragschicht aus Kies oder gebrochenem Stein und einer Deckschicht aus Sand-Lehmgemisch. Neben der Steinbahn gab es oft auch einen nur leicht befestigten Sommerweg für unbeschlagene Tiere. Dazu Bankette, Chausseegräben zur Entwässerung und streckenweise Baumreihen zwischen Banketten und Chausseegräben (Allee). Die Bäume sollten verhindern, dass Fahrzeuge von der Steinbahn oder dem Sommerwege abkamen und in den tiefen Graben stürzten, nicht zuletzt spendeten sie aber auch Schatten und schützten vor Wind. Schließlich gehörte zur Ausstattung der Chaussee auch noch eine Stationierung in Form von Meilensteinen.

Nach und nach wurde Preußens Straßennetz in dieser Weise erweitert. Allerdings mussten Unterhaltung und Neubau der Chausseen finanziert werden – es wurden Gebühren für die Benutzung erhoben. Zu diesem Zweck wurden so genannte Chausseegeldhebestellen im Abstand von etwa einer Meile (7,5 km) eingerichtet. Vielerorts wurden zu diesem Zweck Chausseehäuser gebaut. Hier war die Straße mit einem Schlagbaum versperrt und es musste das Chausseegeld in einen aus dem Fenster des Chausseehauses gehaltenen Lederbeutel gegen Quittung entrichtet werden. Bezahlt werden musste für Fuhrwerke, Pferde, Esel, Ochsen einzeln und auch kleinere Tiere, sobald deren Anzahl 5 oder mehr betrug. Eine ganze Reihe von Ausnahmen waren auch geregelt. So brauchten bspw. Leichenfuhren innerhalb der Parochie oder Fuhren mit tierischem Dünger (Stalldung, Mist) nichts zu zahlen. Die Kosten beliefen sich, um einmal 3 Beispiele zu nennen, auf 1 Silbergroschen für Kutschen, 4 Pfennige für ein Pferd mit Reiter oder 2 Pfennige für 5 Schweine. Das Kassieren übernahm der Chausseegeldeinnehmer.

Chausseehaus 20-er Jahre

Das Gebäude etwa in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts

Hier spielt auch eine weitere Person eine Rolle – der Chausseewärter (Wegewärter). Er war für die Erhaltung und Pflege eines bestimmten Abschnittes der Chaussee verantwortlich. Er hatte sowohl Schäden an der Fahrbahn selbst zu beheben, als auch dafür zu sorgen, dass die Chausseegräben sauber blieben und das Gras an deren Böschungen nicht zu hoch wuchs. Bei steinern befestigten Decken hatte er meist um eine Meile zu betreuen, bei Kiesdecken weniger – hier gab es deutlich mehr zu tun. Der Chausseewärter wohnte häufig mit dem Einnehmer in einem Haus. Man versprach sich davon eine höhere Sicherheit für die eingenommenen Gelder. Als Aufsichtsperson und Vorgesetzter für den Bau und die Unterhaltung längerer Abschnitte einer Chaussee fungierte der Chausseeaufseher. Er musste mit der Arbeit der Wegewärter vertraut sein, sie auch selbst ausführen können, aber auch lesen, schreiben und ein wenig rechnen können und einen tadellosen Leumund besitzen.

Am 01. Januar 1875 wurde die Pflicht zur Zahlung des Chausseegeldes für die Staatsstraßen aufgehoben, für die Provinzial- und Kreischausseen galt sie jedoch auch weiterhin.
Seit dem Bau der Chaussee von Zossen über Ludwigsfelde nach Siethen im Jahre 1880, ist ab dem 01. 07. 1882 auch in Ludwigsfelde Chausseegeld erhoben worden. Zunächst allerdings noch am Bahnhof. Ab Anfang der 90-er Jahre des 19. Jahrhunderts wurde auch für die Benutzung der inzwischen ausgebauten Chaussee nach Genshagen Chausseegeld verlangt, jetzt im Chausseehaus – es war inzwischen fertiggestellt.
Einer der hiesigen Einnehmer war Emil Kaatz. Seine ganze Geschichte kann man in unserer Broschüre „Was Häuser erzählen können“ Band 1 nachlesen.

Chausseehaus 1997

Das Haus kurz vor dem Abriss 1997

Im Jahre 1907 hob Ernst von Stubenrauch als Landrat des Kreises Teltow die Pflicht zur Entrichtung eines Chausseegeldes auf. Das Chausseehaus in Ludwigsfelde diente seither nur noch als Wohnhaus.
Bis es im Jahre 1997 abgerissen wurde.

Quellen:

  • Chausseen – Alleen – Meilensteine – Chausseehäuser (Land Brandenburg, Landesbetrieb f. Straßenwesen 2008),
  • Die Verwaltung der Chausseen in den königlich preußischen Staaten – Ein Handbuch für Steuer – Beamte, Chausseegeld – Erheber und Pächter, sowie für Landräthe, Directionen von Actien – Chausseen (Berlin 1860) (aus: Digitalisierte Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin)
  • Teltower Kreisblatt vom 31.05.1882
  • Allerhöchste Kabenetsorder vom 29. Februar 1840, den Tarif zur Erhebung des Chausseegeldes auf den Staats – Chausseen betreffend
  • Dr. Willy Hoppe: Ernst v. Stubenrauch. Ein preußischer Landrat aus der Zeit Wilhelms II. (aus Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte Bd. 12, Berlin 1961)

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